BGH, Mahnung reine Förmelei, Urteil vom 20.04.2023 – I ZR 140/22

Der I. Senat hatte es mit nachfolgendem Sachverhalt zu tun:

Der beklagte Frachtführer hatte sich dazu verpflichtet, Produktionsteile zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verschiffen. Im Rahmen des geschuldeten Seetransports nach Mexiko habe die frachtvertragliche Hauptleistungspflicht darin bestanden, die Güter über See zum Bestimmungsort zu befördern und dem Empfänger abzuliefern. Für die Seebeförderung sei eine Dauer von 19 Tagen eingeplant gewesen. Bei planmäßiger Verschiffung wäre die Ablieferung frühestens am 13. Juli 2017 fällig gewesen. Die Beklagte hatte der Versicherungsnehmerin sodann mitgeteilt, dass die Container wegen eines Maschinenschadens nicht wie geplant verladen werden konnten und stattdessen auf ein anderes Motorschiff verladen werden würden, das später abfahren sollte. Mit E-Mail vom 6. Juli 2017 hatte die Beklagte der Versicherungsnehmerin mitgeteilt, dass die Container auf ein nochmal anderes Motorschiff verladen werden würden, welches in der Kalenderwoche 27 am 10. Juli 2017 abfahren und am 25. Juli 2017 in Mexiko ankommen sollte. Mit einer weiteren E-Mail hatte die Beklagte mitgeteilt, dass es keinen Sinn habe, die Container vom Terminal zu holen, weil dann alles noch länger dauern würde.

Nach Auffassung des Senats habe die Beklagte damit unmissverständlich zu erkennen gegeben, die Leistung nicht rechtzeitig erbringen zu können. Erkläre der Schuldner noch vor Fälligkeit, dass er nicht rechtzeitig leisten könne, würde es eine reine Förmelei darstellen, den Eintritt des Verzugs von einer Mahnung des Gläubigers nach Fälligkeit abhängig zu machen, der der Schuldner seinen Erklärungen zufolge ohnehin nicht Folge leisten könne. In einem solche Fall sei eine Mahnung nach Fälligkeit entbehrlich.

Die Ausführungen des Senats sind überzeugend. Zu prüfen bleibt aber immer, ob ein Verschulden auf Seiten des Frachtführers festzustellen ist.

U.S.