Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung nicht gegenüber dem Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund einer „Wet-Lease-Vereinbarung“ eingesetzt wurden, geltend zu machen ist, sondern gegenüber dem Luftfahrtunternehmen, bei dem der Fluggast den Flug gebucht hat.
Die Kläger verlangten von dem beklagten Luftfahrtunternehmen wegen einer Flugverspätung Ausgleichsleistungen entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (Fluggastrechteverordnung). Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen jeweils einen Flug von Düsseldorf nach Nador (Marokko). Der Flug wurde unter dem IATA-Code der Beklagten, jedoch aufgrund einer sogenannten „Wet-Lease-Vereinbarung“ (Vereinbarung zwischen zwei Luftfahrtunternehmen über das Vermieten eines Flugzeugs, nach der der „Vermieter“ auch die Flugzeugbesatzung stellt) mit einem Flugzeug und einer Besatzung eines spanischen Luftfahrtunternehmens durchgeführt. Der Flug erreichte Nador mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden. Das Amtsgericht hat die auf Zahlung der Ausgleichsleistungen gerichteten Klagen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufungen zurückgewiesen.
Der BGH hat den Klägern nunmehr recht gegeben. Anders als die Vorinstanzen hat er nicht das Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund der „Wet-Lease-Vereinbarung“ eingesetzt wurden, sondern das beklagte Luftfahrtunternehmen als ausführendes Luftfahrtunternehmen angesehen, gegenüber dem der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung geltend zu machen ist. Er hat sich dabei insbesondere auf den Erwägungsgrund 7 der Fluggastrechteverordnung gestützt. Danach sollen die Verpflichtungen nach der Verordnung im Interesse einer wirksamen Anwendung dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem (mit oder ohne Besatzung) gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird. Zudem sei das vermietende Luftfahrtunternehmen nicht besser und gegebenenfalls mangels Präsenz am Flughafen auch gar nicht in der Lage, die in der Verordnung vorgesehenen Unterstützungs- und Ausgleichsleistungen zu erbringen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die unter anderem die Unterrichtung der Fluggäste über das ausführende Luftfahrtunternehmen betreffende Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 vom 14. Dezember 2005 ausweislich ihres Erwägungsgrundes 13 „Wet Lease“ als einen Fall ansehe, in dem das anmietende Luftfahrtunternehmen den Flug nicht selbst durchführe. Die Unterrichtung nach Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung diene vornehmlich der Information der Fluggäste über mögliche Sicherheitsrisiken und damit anderen Belangen als die Fluggastrechteverordnung.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 141/17 (Urteile vom 12. September 2017 – X ZR 102/16, X ZR 106/16)